Mit den Trommelwirbeln von Star-Drummer Jojo Mayer fanden die Eventi letterari am Sonntagabend ihren Abschluss. Während vier Tagen bot das Literaturfestival in über 20 Veranstaltungen mit rund 30 Autor*innen und Mitwirkenden ein hochkarätiges Programm. Unter dem Motto Surreale Welten – Magnetische Felder wurden vor ausverkauftem Haus die Fantasie und das Wunderbare gefeiert.
Eine Feier des Wunderbaren und der Fantasie hundert Jahre nach dem Manifest des Surrealismus auf dem Monte Verità! Dabei fand man vielfältige Antworten auf die drängende Frage, die schon die Surrealist*innen nach dem Ersten Weltkrieg umtrieb und heute eine besonders tragische Aktualität hat: Was kann und was darf die Kunst vor dem Hintergrund von Krieg und Terror?
Die Dadaist*innen antworteten mit einem Nein zur bisherigen Kultur und zerschlugen die Sprache im Lautgedicht. Die Surrealist*innen antworteten mit dem Ja zum Wunderbaren, zum Traum, zum kindlichen Spiel. Und genau diese zukunftsfrohe Spiel- und Diskutierfreude riss mehr Besucher*innen mit, als das Festival je verzeichnet hat. «Es wurde ein kleines Gesamtkunstwerk, bei dem sich die Poesie nicht nur an die Ohren der Besucher*innen richtete, sondern auch die Augen einbezog, den Mund und die ganze Menschen-Möglichkeit», freut sich der künstlerische Leiter Stefan Zweifel.
Zum Abschluss der Tage diskutierte Milo Rau mit dem politischen Aktivisten Yvan Sagnet, Ann Cotten und Tom McCarthy über «Das radikale Nein»: Die surrealistische Verklärung von Gewalt und Terror wurde kritisch hinterfragt und die Möglichkeiten realer Aktionen wurden erkundet: So befeuerten sich Realität und Surrealität – und trafen in der Utopie einer Welt voll Freiheit aufeinander.
Danach klang das Festival mit den Trommelwirbeln von Star-Drummer Jojo Mayer aus, der die komplexen Fragen vom Umgang der Kunst mit KI analysierte und mit seinem virtuosen Solo «Me/Machine» aufzeigte, wie man mit Algorithmen in unbekannte Gefilde vorstossen kann.
Diese wurden auch mit virtuoser Lautpoesie, dem Harfenspiel von Kety Fusco, den Filmen von Heidi Bucher bis zu den «vegetabilischen» Kulinaritäten von Pietro Leemann und den Einwürfen zur politischen Lage von Milo Rau erkundet. «Ein Abenteuer für alle Sinne – die Tessiner Seele blühte im Dialog mit den internationalen Gästen genauso auf wie die Natur», bilanziert der Präsident Raphaël Brunschwig.
Es war, als hätte Merlin Sheldrake mit seinem fulminanten Auftakt das Festival verzaubert: Er liess Hunderte von Gästen im PalaCinema von Locarno ins Leben und Denken der Pilze eintauchen – auf geradezu bewusstseinserweiternde Art und Weise. Und bald wurde klar: So wie die Pilze über Baumwurzeln auf geheime Weise miteinander kommunizieren, so verlaufen auch zwischen den Autor*innen «kommunizierende Röhren», wie schon die Surrealist*innen sagten. Und man spürte: Letztlich ist jedes Buch ein Pilz und auf wunderbare Weise mit anderen Büchern über das Wurzelwerk der Worte verbunden.
Und diese Wurzeln dehnten sich mit rund 30 internationalen Gästen vom magnetischen Feld des Monte Verità über die ganze Welt aus.
Die zwölfte Ausgabe der Eventi letterari wird von der Associazione Eventi letterari Monte Verità gefördert, der Raphaël Brunschwig vorsteht. Die künstlerische Leitung liegt bei Stefan Zweifel in Zusammenarbeit mit Maike Albath und Stefano Knuchel. Organisatorische Leiterin ist Carmen Werner, Delegierter des Vorstands Marco Solari. Ein besonderer Dank geht an das Departement für Bildung, Kultur und Sport des Kantons Tessin, die Gemeinde Ascona, die Tourismusorganisation Lago Maggiore e Valli und an den Presenting Partner, die Mobiliar. Das Festival dankt auch den Kulturstiftungen, die das Projekt unterstützen.